Die Master-Frage: sRGB oder AdobeRGB?
Viele Fotoeinsteiger fragen sich, was hier die richtige Einstellung ist. Die Frage kann beim Einrichten der neuen Kamera auftauchen – oder auch beim Laden der Bilder im neu installierten Photoshop. Was weicht denn hier von wem ab und welche Folgen hat denn der Eingriff?
Typische Gegenfrage: Wofür? Also wofür sollen die Bilder denn sein? Das alte Spiel unserer Zeit – es gibt kein schwarz und weiß mehr! Es gibt auch keine immer richtigen und kaum immer falschen Einstellung an dieser Stelle. Es gibt allerdings Umstände, unter denen das ein oder das andere Vorteile bringt.
Farbräume – wo ist der Haken?
Eigentlich ist doch alles irgendwie RGB – oder? Jein. Was stimmt: Wenn man von 8-Bit Zahlenumfang ausgeht,
- enthält ein jpg-Bild Pixeldaten für die Farben rot, grün und blau
- dabei kann jede Farbe 256 Helligkeitszustände annehmen.
Die einfache Theorie besagt, dass man 16,7 Millionen Farbnuancen speichern kann (256 x 256 x 256). Was fehlt denn da? Zum Test:
- einfach im Photoshop einen Farbverlauf von weiß RGB(255, 255, 255) nach reinem rot RGB(255, 0, 0) erzeugen
- in das Bild AdobeRGB einbetten und als speichern
- das jpg-Bild öffnen, das AdobeRGB-Profil in sRGB konvertieren, unter einem anderen Namen speichern und
- beide Bilder ausdrucken.
Was es – im besten Fall – zu sehen gibt: Zwei einigermaßen kontinuierliche weiß-rote Streifen. Aber auch identische? Das wäre ja das Ziel. Und das ist der Haken. Der RGB-Ansatz bedeutet sinngemäß je Gerät(!) …
- … nehme je Grundfarbe den hellsten Farbton und nehme dafür den Wert 255
- … nehme je Grundfarde den dunkelsten Farbton und nehme dafür den Wert 0.
Der satteste, dunkelste 255-Rot-Ton eines Monitors x kann aber immer noch einem schalen matten Orange auf einem betagten Drucker y bedeuten – das ist eben dessen 255-Rot.
Und das ist auch der Sinn der ganzen Farbräume und -profile: Eine einigermaßen farbgetreue Übersetzung von einem Gerät auf das Andere. Also z.B. von einer Kamera auf den Computermonitor. Und von einem Computer nach der Verarbeitung möglicherweise an einen anderen mit einem anderen Monitor (nach dem Verkauf einer Lizenz etwa) oder auf einen Drucker bzw. Belichter in einem Fotolabor.
Wer alleine einfach knipst und das Ganze kurz anguckt („ja, is Mudder, jut“) braucht hier nichts zu tun: Kurzformel – immer sRGB einstellen, wenn ein Gerät fragt. Wenn nichts fragt, nichts einstellen.
Kann man Farbräume irgendwie anzeigen?
Ja. Und sogar vergleichen – z.B. den des Monitors mit dem des Druckers, um zu sehen, was beim Ausdrucken verloren gehen könnte. Viele Fotodienstanbieter stellen dazu ihre Farbprofile online – teilweise exakt für jede Papiersorte („matt“, „hochglänzend“, „Kunstsofffolie“ etc.). Damit kann man dann abgleichen, ob das aktuell verwendete Profil Fehler erwarten läßt.
Tools dafür:
- Das Microsoft Color Control Panel Applet gibt es unter http://www.microsoft.com/download/en/details.aspx?displaylang=en&id=12714 kostenlos.
- ICC View: http://www.iccview.de/content/view/3/7/
Eigentlich ist ICC View eine Browser-Anwendung. Da ist allerdings für die 3D-Darstellung auf VRML setzt und einige Browser dafür ein Plugin benötigen, kommt man auch hierfür nicht unbedingt um eine Installation herum (außer man hat das VRML-Plugin bereits).
Das Microsoft-Tool wird nach der Installation aufgerufen über die Systemsteuerung unter dem schlichten Namen Color.
Ein Vergleich der beiden Farbräume führt auf folgende Diagramme:
Damit man diese Profilergebnisse nun nicht nur mit dem Auge nebeneinander abmessen muss, kann man sie in dem Profil-Viewer auch übereinanderlegen:
- Profil wählen
- rechts unten auf die Lupe klicken
- im erscheinden Fenster das zu vergleichende Profil wählen
- Häckchen bei Compare to setzen
Das bestätigt erst einmal nur, was vielerorts geschrieben steht (und sich oben abzeichnet): der AdobeRGB-Farbraum – außen – ist etwas größer als der sRGB-Farbraum (innen, weiß-grau) dargestellt. Das muss allerdings nichts heißen – numerisch größer ist zwar immer schön für Marketing-Abteilungen. Wie aber z.B. auch die Megapixel-Angaben auf Kameras oft schon gezeigt haben: bessere Bildergebnisse kommen nicht automatisch höheren Auflösungen.
Und auch der Abgleich der Profile ist noch unbedingt aussagekräftig: Selbst wenn ich ein AdobeRGB-Bild auf einem profil-schwächeren sRGB-Gerät ausgebe, tritt ja nur ein Problem auf, wenn mein Bild die überhaupt nur Informationen in den Farbbereichen enthält, bei denen die Profile sich unterscheiden.
Mehr über die technischen Hintergründe gibt es bei Andreas Beitinger – AdobeRGB – Vorteil durch größeren Farbraum?
Wie sieht der Unterschied im Bild aus?
Erkennbar. Aber: Schwächer als man meist erwartet. Dazu kann man sich recht einfach in Photoshop eine paar Farbkeile konstruieren: man …
- … nehme eine leere weiße Fläche
- … unterteile sie in fünf Bereiche
- für die Farben rot, grün, blau, magenta, cyan und gelb,
- entspricht allen RGB-Extremen: 255, 0, 0 | 255, 255, 0 | 0, 255, 0 | 0, 255, 255 | 0, 0, 255 | 255, 0, 255
- … färbe die Bereiche von links bis zur Hälfte mit weiß-zu-RGB-Verläufen
- … färbe die Bereiche von der Mitte bis nach außen mit RGB-zu-schwarz-Verläufen
- … speichern das Bild als PSD-Datei
Dann wird das Ganze als JPG mit jeweiligem eingebetteten Profil gespeichert.
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Achtung – trauen Sie Ihren Augen nicht! Hier geht es nun um wirklich f-e-i-n-e Nuancen. Nicht jeder Unterschied zwischen den beiden Abbildungen liegt den wirklich in den Abbildungen:
- Bewegen Sie das eine Bild durch Ziehen am Browserbalken doch einmal auf die Position des anderen oder schieben sie es umher – wird das dort plötzlich woanders auch wärmer oder kälter? Dann liegt das nicht am Bild sondern daran, dass schon die Darstellung des Bildes innerhalb eines Displays schwankt. Das kommt schon mal vor, wenn sie kein besonders hochwertiges Gerät haben.
- Vielleicht sehen Sie auch gar keinen Unterschied. Auch möglich. Auch viele aktuellen Displays bilden nicht einmal den sRGB-Umfang ab. Da müssen wir nicht nach den Erweiterungen von AdobeRGB suchen – hier können ganz sicher beide Bilder nicht verlustfrei angezeigt werden.
Falls Sie etwas sehen: Das sRGB-Grün wird etwas schneller gelb, das AdobeRGB-Grün zeigt einen Hauch mehr reine Grün-Nuancen. Ähnlich beim Rot – das wird der sRGB-Bild ebenfalls etwas schneller von einer anderen Farbnuance vereinamt und wirkt etwas violetter. Insgesamt kein Beinbruch.
Achtung: Das sind die Unterschiede zwischen Bildern mit korrekt gesetzten Profilen. Etwas völlig Anderes – viel Ausgeprägteres – passiert, wenn ein Bild mit einem AdobeRGB-Profil angefertigt wird und schlichtweg falsch als sRGB interpretiert wird (das Problem flauer, kontrastarmer Farben).
Hierbei handelt es sich zunächst einmal um einen Anwender-Fehler, der so erst einmal technisch nicht für oder gegen ein Profil (hier: AdobeRGB) spricht. Allerdings spricht es von der Usabilty her möglicherweise schon gegen AdobeRGB-Profile bei Laien und Einsteigern. Denn: der aktuelle Standard ist der verbreitete Minimal-Farbraum sRGB. Auch wenn kein bewußtes Farbmanagement betrieben wird (was bei der überwältigenden Mehrheit der Anwender und Gelegenheitsknipser der Fall ist), läuft im Hintergrund eigentlich aller heutigen Geräte zumindest ein implizites Farbmanagement – und zwar auf Basis von sRGB.
Konvertieren – nach Abschluß aller Arbeiten am Bild – keinesfalls mehrfach
Es ist ein bisschen wie das Umfüllen von Wein von einer 1-Liter-Flasche (AdobeRGB) in eine 0,75-Liter-Flache (sRGB). In die eine Richtung geht es ganz gut – mit etwas Glück sogar verlustfrei (wenn man nichts verschüttet bzw. die Zahlen keine Rundungsvorgänge erfordern). Spätestens in die Groß-nach-Klein-Richtung geht allerdings etwas verloren. Auch wenn am Ende wieder ein sattes Bild bzw. eine volle Flasche steht. Wenn der Teil der ist, der ohnehin nicht getrunken worden wäre – prima, kein Problem. Bei dieser Konvertierung ist es allerdings so, als wenn die Flasche jedesmal mitschrumpfen würde.
Nach ungefähr 20 Konvertierungen hat man den Farbraum schon so weit herunter reduziert, dass ziemlich deutliche Kästchen entstehen.
Der Grund ist der unterschiedliche Zahlenvorrat beider Farbprofile. Der AdobeRGB-Raum hält oberhalb der Zahlen von 219 Reserven für seltener kräftiger Farben. Die Farben, die außerhalb des sRGB-Farbraums liegen. Der kräftigste sRGB-Farbton von 255 für eine Farbe liegt im AdobeRGB-Farbraum also erst bei 219. Knapp 20% der Farbwerte bei einer Konvertierung von sRGB nach AdobeRGB und werden auf die nächstpassendsten Werte gelegt. Wenn man das allerdings mehrfach macht, ergibt sich eine Clusterung der Werte. Genau das sieht man in dem Farbband-Bild.
Darüber hinaus sorgt die Konvertiererei dafür, dass das immer schlechtere Bild auch noch immer größer wird. Während das Quellbild in höchster jpg-Qualität nur 164 kByte groß ist, überschreitet des x-mal konvertierte Bild bereits die 500 kByte-Marke.
Probieren Sie es einfach aus: Nehmen Sie das Bild des AdobeRGB-Farbbandes oben und konvertieren Sie es in sRGB. Und hin und zurück etc. Nach dem zwölften Mal sehen Sie mit Sicherheit auch langsam Einbußen.
Was stelle ich wann in der Kamera ein?
Nahzu immer: RAW! Dann ist die Frage nach sRGB oder AdobeRGB nachrangig. Das betrifft nämlich nur das jpg-Bild in der Kamera.