Miniwelten sind klein

Aber nicht mikroskopisch klein – das sind Mikrowelten.Hierfür befestigt man mehr oder minder einfach die Kamera mit einem Adapter dort, wo man sonst mit dem Auge reinguckt. Fertig.

Mikroskopisch weit gehen die folgenden Vorschläge nicht. Aber zwischen den 1:1- bis höchstens 2:1-Abbildungen, die aktuelle Makro-Objektive erlauben und den Mikrowelten, gibt es noch einen Mini-Bereich. So nenne ich jetzt mal die Zone zwischen etwa 2-facher und 20-facher Vergrößerung. Dort leben z.B. Blattläuse und bekommen Insekten Gesichter. Bekannte Strukturen verwandeln sich hier langsam in andere Strukturen. Aber anders als bei Mikrowelten, kann man oft noch halbwegs erahnen, woher etwas stammen könnte.

Makroobjektive reichen nicht?

Nein. Ein Makroobjektiv vergrößert zunächst einmal nichts. Kurz zu den Bauformen Makro und Nicht-Makro:

  • Bei Fotoobjektiven wie Tele, Weitwinkel etc., die für die Umgebung ab ca. einem Meter konstruiert sind, ist der Abstand zwischen bestimmten Linsengruppen und Sensor relativ gering.
    Effekte:
    • Alles was weit weg ist, kann scharfgestellt werden. Schwerpunkt ist die sog. Unendlichkeit.
    • Man kann nur bis ca. 1 Meter (manchmal auch 80cm, aber das ist die Dimension) an Objekte heran, die scharf gestellt werden sollen – näher geht nicht
  • Bei Makroobjektiven ist der Abstand zwischen Sensor und bestimmten Linsengruppen größer als bei Fotoobjektiven. Einfach gesagt: Im Rohr sind die Linsen ein Stück weg vom Sensor verschoben. Das ist eigentlich der wesentliche Trick.
    Effekte:
    • Der Mindestabstand für scharfe Abbildungen ist kleiner. Also: Man kann etwas näher an Objekte heran. Dadurch sind sie natürlich auch größer auf dem Sensor abgebildet.
    • Natürlich sind nicht nur Linsen verschoben. Auch optisch ist einiger Aufwand nötig, um die optimale Abbildungsleistung dann auch in den Nahbereich zu verlegen.

Makro-Aufnahme Canon 100mm

Bild 1: Aufnahme mit Canon 100mm Makro-Objektiv, maximale mögliche Nähe ohne Zwischenringe etc.

Das Ganze läßt sich mit einer simplen Handlupe simulieren. Einfach mal von einer Armlänge Entfernung durch eine Lupe sehen und in den freien Raum blicken: es ist nichts erkennbar, man sieht allenfalls Verschwommenheit.

  • Zur Nachbildung des Verhaltens von Makroobjektiven: mit der Armlänge Entfernung auf ein Objekt zugehen – das Objekt wird scharf und wirkt groß. Das sind die Makroeffekte.
  • Zur Nachbildung des Verhaltens von Fotoobjektiven: die Lupe wie ein Monokel knapp vor das Auge halten: die Umgebung wird erkennbar bis hin zu weit entfernenten Bereichen. Das ist im Kern das Verhalten eines Fotoobjektiv.

Im Übrigen stellt sich da die Frage: kann man denn ein normales Fotoobjektiv nicht einfach umdrehen und so eine Art Makro erzeugen? Dann sind doch die sonst dem Sensor nahen Linsen weiter weg vom Sensor. Richtig – und genau das macht man auch mit sog. Umkehrringen bzw. Retroadaptern.

Ein typisches Beispiel eines Makrofotos ist das des Kalenderblattes. Der gezeigte Bereich umfasst ca. 5-6 cm. Man sieht bereits ganz gut die Struktur des Papiers. Im Alltag ohne solche Naheffekte wirkt das Papier beim Draufsehen meist homogen weiß.

Aber abschliessend noch einmal: Makroobjektive vergrößern meist nicht oder nur gering (maximal Faktor 2). Der Eindruck von Größe entsteht primär dadurch, dass das Objektiv dem Objekt näher kommen kann. Mit Zwischenringen oder Balgengeräten verlängert man nun den Abstand zwischen Sensor und Objektivlinsen weiter. Und siehe da: man kann wieder etwas näher ran. Aber wieder: keine eigentliche Vergrößerung.

Makroobjektive und Miniwelten

Wie groß ist nun der Unterschied? Nehmen wir mal einen schönen Kohlkopf der Sorte Romanesco – diese Mischung aus Blumenkohl und Brokkoli, die wie ein Fraktal aussieht.

Definitiv nein: es ist kein Rendering aus einem Chaos-Generator. Es ist einfach so geschossenes Gemüse – ein ganz schöner Ausschnitt – aber am Ende wieder kanpp 5 cm eines Objekts, nichts weiter.Romanesco-Kohl Ein weiteres Makrofoto.

Bild 2: Romanesco-Kohl, aufgenommen mit Canon Makro-Objektiv, 100mm

In die nächste Welt – darüber hinaus also – gelangt man nur mit technischen Ergänzungen. Dafür gibt es einen relativ teueren Weg über ein Spezialobjektiv von Canon oder einen günstigeren Weg über Altglas (alte Objektive vergangener Kameragenerationen), dass man ohnehin zuhause hat.

Der günstigere Weg: Man nehme zwei Objektive mit möglichst unterschiedlicher Brennweite aber ähnlichem Durchmesser des Filtergewindes und einen Kupplungsring.

Ein Kupplungsring ist nichts anderes als ein Ring, der auf beiden Seiten ein Filtergewinde hat.

Man schraubt den Kupplungsring also wie einen Filter auf das erste Objektiv.
Dann nimmt man das zweite Objektiv und schraubt dies auf die freie Seite des Kupplungsrings.

Bild 3: schematische Darstellung zur Anbringung der Objektive

Einsatz des KupplungsringsEine angenehme Eigenschaft dieser Konstruktion: auf der rechten Seite bzw. außen kann das Objektiv von nahezu beliebigen Herstellern sein. Das Bajonett ragt ja nach außen – nur der Filterdurchmesser ist wichtig. Ob Canon, Nikon, Minolta, m43, Exakta etc. – die Filtergewinde sind herstellerübergreifend gleich. Anders als die Bajonette. Lediglich der Durchmesser muss zum Kupplungsring passen. Also: selbst alte Canon-FD-Objektive können hier wieder an einer Canon-Kamera wertvolle Dienste leisten. Auch am Kamerabody kann ohne Probleme ein Objektiv angesetzt werden, das wegen nicht möglicher Unendlichkeitseinstellung sonst nicht mehr zum Einsatz kommt. Also an Canon EOS ginge durchaus auch Canon FD mit einem Adapter ohne Ausgleichslinse.

Grund: Bei dieser Konstruktion endet jede Bildschärfe ohnehin wenige Zentimeter hinter dem äußeren Objektiv.

Der Adapter dient lediglich zur Anbringung an das Bajonett, da Canon beim Wechsel von FD zu EOS auch das Bajonett selbst verändert hat.

Bild 4: Making of-Foto der Aufnahmen des Romanesco-Kohlszwei Objektive mit Kupplungsring verbunden

Bild 4 zeigt auf der linken Seiten den Romanesco-Kohl (unten noch in seiner Plastiktüte liegend). Rechts ist die Kamera mit zwei gekoppelten alten manuellen Objektiven. Hier eingesetzt: außen ein Carl Zeiss Jena Flektogon 35mm, f2.4, m42 und am Kamerabody ein Carl Zeiss Jena Sonnar 135mm, f3.5 , m42(Zebraversion). Um Vignettierungen zu vermeiden kamen beide Objektive relativ weit offen zum Einsatz (so weit, bis die schwarzen Schatten an den Rändern weg waren). Natürlich wäre etwas Abblenden aus Gründen der erhöhten Tiefenschärfe schöner. Der Kupplungsring ist rechts hinter dem breiten Gummiring zu sehen (wo die Zahl 49mm prangt) – der Gummiring ist eine alte Klappsonnenblende, direkt dahinter ist das Filtergewinde.

Die erreichbare Vergrößerung (135 durch 35) ist in diesem Falle also mit knapp 4 rechnerisch gar nicht so gewaltig.

Dafür ist diese Kombination (oder zumindest eine ähnliche) für unter hundert Euro realisierbar. Manuelle analoge 135mm-Objektive gibt es bei eBay etwa ab 50 Euro (natürlich dann keine aktuellen Canon-L-Automatik mit Ultraschallmotor …), passable Weitwinkel ab 35 Euro, dann noch ca. 10 Euro für den Kupplungsring und 5 Euro für einen m42-zu-Canon-EOS-Adapter. Wie erwähnt geht das deutlich drastischer, wenn man z.B. kameraseitig ein 200mm-Objektiv ansetzt und nach außen das oft vernachlässigte Kit-Objektiv nutzt. Das ist etwa ein Zehntel dessen, was das letzte am Markt befindenliche Vergrößerungsobjektiv kostet. Das Canon MP E 65 vergrößert bis zu 5-fach. Es hat eine Brennweite von 65mm und ist mit f2.8 ziemlich hell. Erheblich heller natürlich als die Kombination von obigen f3.5 hinter f2.8. Überhaupt ist das Leben damit leichter: kein Koppeln, keine zwei Schärfenräder, leicht, kein Übergewicht, keine Stützen nötig etc. Meist ist es für um die 999 Euro zu bekommen, darunter gibt es bisweilen Sondernangebote.

Ergebnisse

Die nur vierfache Vergrößerung zeigt bereits eine völlig andere Welt.

Romanesco-Kohl bei vierfacher VergrößerungDie spitze fraktale bzw. an Tannenzapfen erinnernde Form wandelt sich nun in Richtung runder Kugeln, eher wie grüner Kaviar oder grüne Brombeeren. Zudem sind diese Strukturen relativ glänzend, fast wie Äpfel mit Ihrem Wachs. Der nicht vergrößerte Romanenco-Kohl erscheint dagegen eher stumpf und wie üblich für Kohlarten matt.

Wenn ich nicht selbst gewusst hätte, was ich da aufgenommen habe – ich würde mehr erkennen, was das ist.

Allerdings wird auch deutlich, dass es in diesen Bereichen kaum noch Tiefenschärfe gibt – sie liegt hier bei ca. 0,3mm (ja – einem Drittel Millimeter). Bei noch weiteren Vergrößerungen sinkt die Tiefenschärfe weiter. Bei etwa 10-facher Vergrößerung dürfte es schon unmöglich sein, ein Facettenauge einer Fliege durchgängig scharf zu bekommen. Entweder man lebt dann also mit der nur partiellen Schärfe, knipst nur plane Gegenstände oder arbeitet mit Schärfenreihen. Allerdings wird so eine Schärfenreihe viele Bilder benötigen.